Digitalisieren ja oder nein

Bei vielen Gegenständen können wir uns das Loslassen leichter machen, indem wir sie fotografieren. Beim Betrachten des Bildes kommen die alten Erinnerungen hoch, als hätten wir den Gegenstand an sich in der Hand. Das Bild nimmt jedoch deutlich weniger Platz ein als das abgebildete Erinnerungsstück. Insbesondere dann, wenn das Bild als Datei auf einer Festplatte schlummert.

Die unzähligen auf unseren Festplatten und in unserem Handy gespeicherten Bilder gucken wir uns aber fast nie an. Auch den Aufsatz, für den wir in der fünften Klasse mal eine Eins bekommen haben, lesen wir nicht öfter, nur weil er eingescannt und auf einer Festplatte vergraben liegt, statt im Original in irgendeiner Kiste unter dem Bett.

Liegt der Aufsatz in einer Kiste unter dem Bett, besteht immerhin die Chance, dass er irgendwann zerfällt oder wir die Kiste beim nächsten Umzug ausmisten, weil sie uns zu schwer ist. Auf der Festplatte nimmt unser kleiner Essay hingegen so wenig Platz weg, dass er dort quasi ewig rumliegen kann. Im Zweifelsfall kaufen wir uns eine zusätzliche Festplatte. Die dann frischen Platz für Millionen neue Dateien bietet.

Wir kaufen uns einfach mehr Speicherplatz, statt Abertausende alte Scans, Photos und Videos durchzugehen und zu gucken, ob wir davon tatsächlich noch etwas in Zukunft wieder betrachten möchten und den Rest auszumisten.

Die alten Dateien haben wir wahrscheinlich von Computer zu Computer immer wieder übertragen und mitgeschleppt. Ist ja auch deutlich einfacher, als die Originale in den Kisten tragen zu müssen. Oder unser Computer ist gecrasht und wir haben die alten Dateien verloren. Danach waren wir kurz traurig, aber dann war es überwunden und egal.

Für das Digitalisieren sollten wir uns ähnliche Regeln aufstellen wie für das Ausmisten. Es müssen ja nicht nur 90 Tage sein, nach denen wir ungenutzte Dateien ausmisten. Aber es lohnt sich, regelmäßig die Festplatten nach Datenmüll zu durchsuchen und Kram zu löschen, den wir uns nicht mehr angucken.

Ein schönes Ritual kann es sein, während der Weihnachtstage mal die auf Computer, Handy und Digitalkamera gespeicherten Bilder durchzusehen und zu gucken, ob wir wirklich jedes davon noch behalten möchten. Und wenn wir ein interessantes Bild finden, können wir das gleich mit der Familie oder den Freunden teilen, die wir während der Feiertage wiedersehen oder auch nicht. In dem Zusammenhang können wir auch gleich unsere alten Gedichte aus der Schulzeit am Weihachtsbaum aufsagen. So kommt wenigstens etwas Stimmung auf, wenn wir als Minimalisten schon nichts zum Auspacken haben und unseren Liebsten nur unsere Zeit schenken. Obwohl die sich einen neuen Toaster gewünscht haben.

Wo liegen deine alten Schulhefte? Noch unter dem Bett oder schon in der Cloud? Ist deine Festplatte aufgeräumt? Hast du noch Backups von Ende 1999? Wann hast du dir das letzte Mal deine Selfies aus dem Sommer 2016 angeguckt?

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