Unangekündigter Besuch

Für viele Leute ist unangekündigter Besuch eine absolute Horrorvorstellung. Statt sich über den unerwarteten Gast zu freuen, bricht vor dem Öffnen der Tür blanke Panik in ihnen aus. Falls sie die Tür überhaupt öffnen und nicht nach dem Klingeln schnell den Fernseher leiser drehen, das Licht ausschalten und die Luft anhalten.

Häufig liegt das daran, dass ihre Bude nicht geputzt ist. Schmutzige Unterwäsche liegt quer über den Schlafzimmerboden verteilt, das Bad ist nicht geputzt, auf den schimmelnden Orangen in der Obstschale tummeln sich die Fruchtfliegen und in der Küche zieren Essensrechte die Teller und es steigt ein modriger Geruch aus dem Mülleimer auf. Dagegen hilft nur regelmäßiges Saubermachen.

Viel interessanter wird es, wenn die offensichtlichen Hygienemängel beseitigt sind. Führt dann immer noch jedes Klingeln zu einem Schaudern, ist es wohl unsere Einrichtung und unser Gerümpel, das wir überdenken müssen.

Mit dem Klingeln vor Ohren können wir Zimmer für Zimmer durchgehen und uns fragen, was wir noch schnell wegräumen würden, bevor wir die Tür öffnen. Welchen Bereich finden wir besonders unordentlich? Was verstecken wir im Schrank, bevor ein heißes Date zum DVD-Abend vorbeikommt? Was dürfen unsere Eltern, Freunde oder Nachbarn auf keinen Fall sehen, wenn sie uns besuchen? Welche Gegenstände sind uns peinlich, wenn der Heizungsableser darin rumschnüffelt? Unsere Sammlung kitschiger Porzellanfiguren? Unseren jahrzehntealten völlig abgegriffenen Teddybären aus Kindertagen? Unsere Guilty Pleasure Kuschelrock CDs aus den Neunzigern?

Auch der umgekehrte Fall sagt etwas über uns und unseren Bezug zu unseren Gegenständen aus. Was stellen wir extra so hin, damit es gesehen wird? Für welche Sachen erwarten wir positive Kommentare? Worauf wollen wir angesprochen werden? Womit wollen wir Eindruck hinterlassen? Ist es das nepalesische Sofa? Sind es die alten Klassiker in unserem Bücherregal? Die Pokale in der Vitrine? Urlaubsphotos? Statussymbole?

Natürlich müssen wir uns nicht von unserem Teddy trennen, nur weil wir ihn nicht gleich jedem Schwarm beim ersten Date vorstellen wollen. Wir sollten die bei dieser Betrachtung gefundenen Gegenstände eher zum Anlass nehmen, uns über den Bezug zu unseren Dingen Gedanken zu machen.

Warum sind uns manche Gegenstände peinlich? Wieso wollen wir mit bestimmten Dingen Eindruck schinden? Weshalb definieren wir uns so stark über unseren Besitz?

Wie sieht es bei dir aus? Bleibst du cool, wenn es klingelt? Oder schaltet sich mit dem Bimmeln wie auf Autopilot dein Reinigungs- und Entrümpelungsprogramm ein?

Schreibe einen Kommentar