Reisen ist toll. Auch deshalb, weil wir auf fast jeder Reise gleich in zweierlei Weise mit den Vorzügen des Minimalismus in Berührung kommen. Das gilt selbst für Reisen, die ansonsten durch Langstreckenflüge, Fünf-Sterne-Hotels und teure Mietwagen nicht gerade eine minimalistische Lebensweise widerspiegeln.
Denn zum einen leben wir in Hotelzimmern in der Regel etwas minimalistischer als bei uns zuhause. Obwohl viele von uns immer viel zu viel Gepäck mit auf Reisen nehmen, schleppen wir nie unsere gesamten Habseligkeiten mit. (Nomaden und andere Extremfälle mit extrem wenig Besitz ausgenommen.)
In Hotelzimmern steht auch nie so viel Kram rum wie in einer normalen Wohnung. Küchengeräte, Bücherregale und jede Art von gesammelten Gegenständen fehlen völlig. Ebenso sind die Fensterbänke nicht mit Pflanzen und Dekokram vollgestellt. Selbst in opulent eingerichteten Hotelzimmern sind wir verglichen mit unseren eigenen vier Wänden also eher minimalistisch unterwegs.
Noch extremer wird es natürlich beim Backpacking oder beim Zelten. Alles auf dem Rücken tragen zu müssen begrenzt unsere Ausrüstung noch stärker als ein großer Rollkoffer, mit dem sich der Hotelpage rumschlagen muss.
Im Urlaub erkennen wir, dass es auch mit weniger geht. Wir brauchen nicht unseren ganzen Kleiderschrank, sondern nur ein paar ausgewählte Stücke. Wir brauchen auch keine zwölf Lippenstifte in unterschiedlichen Rottönen für den nächsten Urlaubsflirt. Und wir brauchen nur einen Kugelschreiber, wenn wir Ansichtskarten verschicken wollen. Nicht die unzähligen anderen, die in unseren Schubladen versauern.
Zum anderen rückt auf Reisen der Fokus von Gegenständen hin zu Erlebnissen. Zwar nehmen wir gerne ein gutes Buch mit an den Strand, kaufen Souvenirs und lassen Camping mehr und mehr zu einer Materialschlacht werden, in der es um den neuesten Ultraleicht-Schlafsack und Göffel aus Kohlefaser geht. Wenn wir dann aber erst mal einen Wasserfall bestaunen oder eine antike Latrine besuchen, genießen wir den Augenblick und denken in dem Moment nicht über unseren heimischen Stabmixer oder unsere DVD-Sammlung nach.
Um auf Reisen Einsichten über uns und unseren Besitz zu gewinnen, können wir unterwegs in uns hineinhören. Dabei wird uns schnell klar, welche Gegenstände wir wirklich vermissen.
Wenn wir uns in zwei Wochen All Inclusive Cluburlaub mit spannendem Unterhaltungsprogramm jeden Abend auf dem Hotelzimmer unsere Modelleisenbahn herbeisehnen, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass uns das Ding wirklich am Herzen liegt und wir gerne damit spielen.
Haben wir den gesamten Urlaub über allerdings nicht einmal an unsere PlayStation gedacht, obwohl wir sonst jedes Wochenende Stunden davor verbringen, hängen wir zuhause wohl nur aus Gewohnheit und Langeweile vor der Konsole.
Diese Erkenntnis sollten wir nutzen. Wir sollten uns fragen, wie wir diese Gewohnheit durchbrechen können und ob wir unsere Langeweile nicht vielleicht mit einer spannenderen Tätigkeit bekämpfen können, die uns langfristig weiterbringt und nicht nur kurzfristig unserer mentalen Ödnis entgegenwirkt.
Was vermisst du auf Reisen am meisten? Sind es Menschen, Hobbys, Gegenstände oder sogar deine Arbeit? Oder konzentrierst du dich voll auf die Reise und willst am liebsten gar nicht mehr zurück?