Ausmisten bedeutet Risiken einzugehen

Unsere Vielleicht-Kiste dient als Auffangnetz vor vorschnellen Entrümpelungsentscheidungen. Sie gibt uns Zeit, noch einmal über unseren Krempel nachzudenken und uns zu fragen, ob wir einen Gegenstand nicht vielleicht doch noch brauchen.

In den 90 Tagen, die ein Gegenstand in der Kiste liegt, kommen uns manchmal die wildesten Einfälle, wie wir diesen doch noch nutzen oder zweckentfremden können.

Doch manchmal misten wir an Tag 91 etwas aus, das wir an Tag 100 plötzlich doch vermissen.

Vielleicht läuft uns eine Katze zu, wir haben aber das Katzenklo unserer verstorbenen Miez entsorgt. Nicht weiter schlimm. Dann kaufen wir halt ein neues.

Was aber, wenn wir einen geliebten Menschen verlieren und jetzt bedauern, dessen Briefe an uns im Rahmen einer Entrümpelungsaktion weggeworfen zu haben? Solche Erinnerungsstücke lassen sich nicht ersetzen.

Das ist das Risiko beim Ausmisten. Wir können uns nie ganz sicher sein, was die Zukunft bringt. Ob sich schlagartig etwas in unserem Leben ändert. Das dazu führt, dass wir unseren alten Krempel plötzlich doch wieder herbeisehnen.

Aber wie wahrscheinlich ist das? Unsere alten Photos versauern in irgendeiner Kiste. Wir misten sie aus, weil wir sie seit Jahren nicht mehr angeguckt haben. Monate später treffen wir zufällig einen alten Freund und bereuen, die Photos weggeworfen zu haben. Wären wir dem Freund nicht begegnet, hätten wir uns die Bilder wahrscheinlich auch die nächsten Jahre nicht angesehen.

Nach dem Treffen mit dem alten Freund denken wir noch eine Zeit lang reumütig an die entsorgten Bilder. Aber wie lange hält diese Reue an? Einen Tag? Vielleicht zwei? Sicherlich nicht mehr als eine Woche. Die Bilder in der Kiste hätten wir wahrscheinlich noch Jahre lang mitgeschleppt, wenn wir sie nicht entsorgt hätten. Sie hätten uns beim Aufräumen genervt und Platz weggenommen.

Doch jetzt ist es geschehen. Wir stehen vor dem Schrank, in dem die Kiste mit den Bildern stand. Und bedauern das Ausmisten. Vielleicht stellen wir sogar dieses ganze „Minimalismus-Ding“ infrage. Schließlich könnte uns das ja mit vielen anderen ausgemisteten und noch auszumistenden Dingen auch passieren.

In solchen Situationen hilft es, sich sein Warum in Erinnerung zu rufen. Schließlich misten wir nicht einfach so blind Dinge aus. Sondern tun dies bewusst und mit einem Ziel vor Augen. Wir sollten uns daran erinnern, wie befreiend sich das Ausmisten angefühlt hat. Wie wir den freigewordenen Platz genießen. Oder uns einfach so in die gemeinsame Zeit mit dem Freund zurückdenken. Unsere Erinnerungen sind ja nicht plötzlich weg, nur weil wir die Photos nicht mehr haben. Die Reue wird nur kurzfristig sein. Die Freiheit wird deutlich länger anhalten.

Mit dem Ausmisten trainieren wir nicht nur das Loslassen. Wir üben uns damit auch im „Losgelassen haben“.

Hast du im Nachhinein schon einmal bereut, etwas ausgemistet zu haben? Wie bist du damit umgegangen? Schreib‘ es gerne in die Kommentare.

Schreibe einen Kommentar