Loslassen trainieren

Das Ausmisten unserer Besitztümer stellt uns immer wieder vor schwierige Entscheidungen. Von alten Erbstücken trennen wir uns erfahrungsgemäß nur ungern. Ebenso von Dingen, mit denen wir schöne Erinnerungen verbinden, oder die uns im Laufe der Zeit besonders ans Herz gewachsen sind.

Es entbrennt ein Kampf zwischen dem rationalen „Das steht seit Jahren hier nur rum. Eigentlich kann das weg.“ und dem emotionalen „Ich will es aber trotzdem behalten!“

Leider wird es nichts mit dem Ausmisten, wenn bei schwierigen Entscheidungen das gute Gefühl immer gegen die Vernunft gewinnt. Doch zum Glück können wir das Loslassen trainieren.

Die wenigsten von uns laufen ohne vorheriges Training einen Marathon. Um am Ende über die volle Distanz durchzuhalten, beginnt der Laufanfänger mit kurzen Strecken zur Eingewöhnung.

Mit dem Ausmisten läuft es genauso. Statt uns gleich am ersten Tag in einen wilden innerlichen Kampf um unseren Lieblingsteddy aus Kindertagen zu stürzen, schmeißen wir lieber erst einmal ein paar eingetrocknete Kugelschreiber weg. Das Ausmisten von Pappschachteln, Dekokram, unbequemen Schuhen, alten Kaffeebechern und anderem Krimskrams trainiert unseren Loslassen-Muskel.

Mit fortschreitendem Training können wir uns an immer schwierigere Gegenstände wagen. Kleidungsstücke, die eigentlich echt noch zu gut zum Weggeben sind, die wir aber trotzdem nicht mehr tragen, Erinnerungsstücke, Omas Tafelsilber und vielleicht irgendwann auch mal der Teddy.

Ist unser Loslassen-Muskel erst einmal gestärkt, so können wir ihn auch in anderen Bereichen einsetzen. Es muss ja nicht immer das Ausmisten von Gegenständen sein. Er wird uns auch beim Beenden unliebsamer Beziehungen unterstützen und hilft uns sogar dabei, alte Gewohnheiten abzulegen.

Wie der Zieleinlauf beim Marathon zeugt ein minimalistischer Lebensstil von Ausdauer und konsequenter Arbeit. Nur dass man beim Beenden eines Marathons eine Medaille bekommt und sich mit dem Ding um den Hals erst einmal zurücklehnen kann. Sich nicht ständig der Versuchung hinzugeben, neuen Krempel zu kaufen, stellt uns hingegen vor eine fortlaufende Herausforderung. Mit zunehmendem Training schaffen wir es zwar, uns dagegen immer besser zu wehren. Ein Selbstläufer wird es hingegen wohl nie.

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