Das Überangebot und die Lesezeichen

Als Kind habe ich das Micky Maus-Magazin geliebt. Einmal pro Woche konnte ich mir von meinem Taschengeld die neueste Ausgabe kaufen. Die Zeitschrift habe ich dann von vorne bis hinten minutiös durchgelesen und ausgiebig das beiliegende Gimmick auf Herz und Nieren getestet.

In meinem Alltag als Grundschüler fand sich sogar noch etwas Zeit, ein weiteres Magazin komplett durchzuarbeiten und im Freundeskreis zu diskutieren. Also kam einige Zeit später das Yps-Heft noch dazu.

Videospiele habe ich natürlich auch gespielt. Für jedes neue Spiel musste ich jedoch sparen oder auf Weihachten oder meinen Geburtstag warten.

Einige Jahre später bekam einen Internetanschluss. Seitdem habe ich Abermillionen von Artikeln zur Auswahl, von denen mich viele interessieren. Doch statt wie damals einen Artikel nach dem anderen systematisch durchzuarbeiten, lese ich sie kurz an und setze ein Lesezeichen, um sie später zu lesen. Irgendwann mal. Nur dass dieser Tag wohl nie kommen wird.

Das Angebot ist so groß, dass ich so viel Zeit für das Sichten und Bookmarken des Materials aufwende, dass ich nicht mehr dazu komme, den Stoff tatsächlich durchzuarbeiten.

Durch Youtube und Netflix bin ich deutlich kritischer bei der Auswahl an für mich interessanten Videos geworden. Ich sitze nicht mehr am Sonntagmorgen vor dem Fernseher und ziehe mir jede Zeichentrickserie an, die gerade läuft. Sondern ich wähle gezielt nach meinen Interessen aus. Und stelle dann nach einer Minute fest, dass mir ein weiteres Video vorgeschlagen wird, das interessant zu sein scheint. Also füge ich es zu meiner Watchlist hinzu. Die mittlerweile wahrscheinlich für den Rest meines Lebens reicht.

Ich könnte jetzt einfach damit anfangen, meine Lesezeichen und meine Watchlist von oben nach unten durchzuarbeiten und nichts Neues hinzufügen, bis ich am Ende angekommen bin. Oder meine Lesezeichen löschen und ganz neu anfangen. Auf einen Artikel oder ein Video fokussieren und keine neuen Lesezeichen anlegen. Mit dem Einen zufrieden sein, statt immer Neues zu suchen.

Doch es fällt mir schwer, die alten Lesezeichen zu löschen. Obwohl ich weiß, dass viele davon mittlerweile ins Leere führen und andere mich nicht mehr interessieren.

Ich schätze diesen inneren Widerstand vor dem Löschen. Er zeigt mir, dass ich trainiere, loszulassen, wenn ich mich dazu überwinde, die Lesezeichen zu Löschen. Und das gefahrloser als mit dem Ausmisten eines alten Erbstücks. Denn gelöschten Bookmarks aus dem Jahre 2007 werde ich höchstwahrscheinlich ohnehin nicht nachtrauern.

Wie viele Tabs hast du in deinem Browser „für später“ geöffnet? Bist du was Lesezeichen angeht eher Minimalist oder Messie? Lass es uns wissen.

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