Minimalismus und Verzicht

Für Außenstehende scheint Minimalismus häufig mit Verzicht einherzugehen. Verzicht im Sinne von Vermissen. Die Aussage, keinen Fernseher zu besitzen, sorgt gerade bei vielen älteren Menschen für Kopfschütteln und ungläubige Gesichter. „Ich brauche mindestens zehn Paar Schuhe“ und „ohne meine Bücher könnte ich nicht leben“ sind Aussagen, die wir immer wieder zu hören bekommen. Die dem Minimalismus jedoch nur scheinbar widersprechen.

Denn beim Minimalismus geht es um die Reduktion aufs Wesentliche. Und zwar auf das, was für uns wesentlich ist. Wir verzichten auf Dinge, die wir ohnehin kaum benutzen. Diese Art Verzicht ist nicht schmerzhaft.

Wir vermissen nichts, worauf wir ohnehin verzichten können. Wenn wir nicht gerne lesen, fällt es uns leicht, auf Bücher zu verzichten. Und wenn wir unsere Bücher lieben, dann behalten wir sie. Wenn sie für uns wesentlich sind. Oder wir geben sie trotzdem weg. Weil wir auf sie verzichten wollen. Um unsere Komfortzone zu erweitern und neue Wege zu gehen. Weil wir sehen wollen, wie es sich anfühlt, ohne unsere geliebten Bücher zu leben. Das kann schmerzhaft sein. Aber niemand zwingt uns dazu. Wir entscheiden selbst.

Als Minimalisten fokussieren wir uns. Unsere Aufmerksamkeit gehört den schönen Dingen, nicht dem ganzen Krempel. Wir beseitigen den Ballast, den wir in der Vergangenheit angehäuft haben, um unsere Kraft in der Gegenwart besser bündeln zu können. Sind unsere alten Bücher für uns kein Ballast, sondern sorgen sie auch heute noch für Freude, spricht nichts gegen ein prall gefülltes Bücherregal.

Beim Minimalisieren stehen wir in keinem Wettbewerb. Es geht nicht darum, möglichst viele Dinge auszumisten. Es geht auch nicht darum, möglichst wenig oder gar eine festgelegte Anzahl an Gegenständen zu besitzen. Wir legen selbst fest, was und wie viel davon für uns wesentlich ist.

Bevor wir einen Gegenstand ausmisten, den wir eventuell vermissen könnten, legen wir ihn für 90 Tage in unsere Vielleicht-Kiste. Bleibt er für 90 Tage in der Kiste, ist klar, dass wir den Gegenstand nicht vermissen werden.

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