So sehr ich mir die Vorteile des Minimalismus auch vor Augen führe: Es schmerzt trotzdem immer wieder, liebgewonnenen Krimskrams und alte Erinnerungsstücke auszumisten. Selbst wenn ich die Gegenstände seit Jahren nicht mehr angefasst habe. Weh tut es trotzdem.
Man könnte argumentieren, radikales Ausmisten wäre eine Art der Selbstbestrafung. Die Schmerzen, die wir uns dabei wissentlich und absichtlich zuführen, sind eigentlich vermeidbar. Sofern wir nicht in eine deutlich kleinere Wohnung umziehen, könnten wir unseren alten Krempel eigentlich aufbewahren und das Leid beim Ausmisten vermeiden. Das hat ja schließlich die letzten Jahre auch gut geklappt. Dennoch nehmen wir den Schmerz in Kauf. Weil wir ein Ziel vor Augen haben.
Das Ziel wird zur Ursache des Schmerzes. Wie beim Training für einen Marathon quälen wir uns selbst, weil wir etwas erreichen wollen. Obwohl es auf dem Weg zum Ziel in den Beinen brennt, steht am Ende die Freude über den Erfolg. Der dann in Form einer Medaille an der Wand hängt oder in einer Schublade liegt. Bis wir sie unter erneuten Schmerzen ausmisten. Ein Kreislauf der Qualen.
Doch der Schmerz tut nicht nur weh, er hat auch gute Seiten. Er zeigt uns, dass wir beim Ausmisten unsere Komfortzone erweitern. Wir trainieren das Loslassen. Wenn wir hingegen immer in unserer Komfortzone bleiben und nur Dinge weggeben, an denen uns ohnehin nichts liegt, werden wir daran auch nicht wachsen. Und uns wahrscheinlich auch in anderen Bereichen vor schwierigen oder schmerzhaften Entscheidungen drücken.
Wie nach dem Sport verspüren wir auch nach dem Ausmisten ein befriedigendes Gefühl. Es fühlt sich gut an, etwas getan zu haben. An sich und seinem Ziel gearbeitet zu haben. Sich dem Schmerz nicht gebeugt zu haben. Dieses Gefühl ist die Belohnung dafür, die Schmerzen in Kauf genommen zu haben. Es vergeht genauso schnell wie der Schmerz. Was bleibt, ist der Trainingseffekt und die etwas ordentlichere Bude.